Fränkischer Tag vom 17.04.2008
 
Museumsleiterin Irene Lederer präsentiert einen Waidballen. Foto: Michael Busch
 

Thüringer schicken echte Waidballen
MUSEUM Für die Sonderausstellung „Um Gottes Lohn - 500 Jahre Pfründnerspital“ (19. April bis 29. Juli) gab es ein besonderes Ausstellungsprojekt aus Hochstedt in Thüringen.

Herzogenaurach - Dieser Tage ist eine höchst ungewöhnliche Fracht im Stadtmuseum eingetroffen: Waidballen aus Hochstedt bei Erfurt. Mit dieser Sendung konnte eine uralte Handelsbeziehungen zwischen Franken und Thüringen wiederbelebt werden, die schon seit langer Zeit in Vergessenheit geraten war.

Im Zuge der Vorbereitungen zur aktuellen Ausstellung hatten sich die Ausstellungsmacher bemüht, auch den spärlichen Hinweisen zur Person und zu den Lebensumständen des Spitalstifters nachzugehen. Die ältesten Stiftungsurkunden beginnen stets mit dem Satz „Ich Conrad Reyter, Weydgast und zu Nürnberg…“ Doch was genau ist eigentlich ein Weydgast? Alten Urkunden zufolge hatte der in Niederndorf geborene Spitalstifter zunächst in Herzogenaurach das ehrbare Färberhandwerk erlernt, zu seinem beträchtlichen Vermögen kam er jedoch erst in späteren Jahren durch ausgedehnte Handelstätigkeiten. Im Jahr 1475 war Reyther zusammen mit seiner Frau Anna in die Großstadt Nürnberg übergesiedelt, die bereits im Mittelalter ein Zentrum der Tuchfärberei und der Textilveredelung war und gleichzeitig ein zentraler Umschlagplatz für Handelswaren. Die Stadt bot ideale Voraussetzungen für den Aufstieg des jungen Handwerksmeisters zum wohlhabenden Händler. Als äußerst einträgliche Handelsware diente ihm dabei die Färberpflanze Waid, aus der seit ältester Zeit der begehrte Farbstoff „Indigo“ zum Blaufärben gewonnen wurde.

Hauptanbaugebiet für Waid war über Jahrhunderte hinweg die Region um Erfurt, von wo aus seit dem 13. Jahrhundert Fuhrwerken voll beladen mit Waidballen Richtung Franken rollten. In Nürnberg saßen die wichtigen Abnehmer für den Waid und auch Cunz Reyter verdankte diesem Handel seinen Reichtum.

Um diesen beruflichen Hintergrund des Waidgastes Reyther nun in der Ausstellung anschaulich zu gestalten, machte sich das Stadtmuseum auf die Suche nach eben diesem uralten Handelsprodukt. Was nicht so ganz einfach war, denn in Deutschland ist der Anbau der alten Nutzpflanze bereits im 17. Jahrhundert durch den Import des Farbstoffs Indigo aus Indien und Südamerika zum Erliegen gekommen. Durch einen seltenen Glücksfall stieß man schließlich auf den Verein für die Geschichte und Traditionspflege in Erfurt-Hochstedt, der erst vor drei Jahren wieder damit begonnen hat, mit dem traditionellen Waidanbau zu experimentiert. Auf einem Schaubeet vor dem Hochstedter Heimatmuseum konnte inzwischen soviel Waid geerntet und verarbeitet werden, dass es reichte, um ein Paket mit Waidballen auf dem Weg nach Herzogenaurach zu schicken.

Vereinsvorsitzender Jens Schüßler und Ortsbürgermeister Egon Angelroth haben es sich nicht nehmen lassen, die wertvolle Fracht persönlich auf den Weg an die Aurach zu schicken. Inzwischen sind die Waidballen heil an der Aurach angekommen und werden ab dem kommenden Wochenende in der Sonderausstellung zu sehen sein. Rechtzeitig zum Hochstedter Waidfest müssen sie jedoch die Rückreise antreten und so muss das Museum auf die angedachte Weiterverarbeitung des Halbfertigproduktes verzichten. Aber wie Jens Schüßler aus eigener Erfahrung berichtet: „Spätestens dann, wenn die Waidküppe mit Urin angesetzt wird, fängt es eh an, unappetitlich zu werden.“

Mehr im Netz: www.hochstedt.de

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Letzte Aktualisierung: 17.04.2008