Nordbayerische Nachrichten vom 17.04.2008
 
Daraus wurde Indigoblau: Museumsleiterin Irene Lederer mit einem Waidballen. Foto: Kronau
 
Blaue Farbe machte den Stiftungsgründer reich
Seltenes Handelsgut - Verein in Erfurt stellt Färberpflanze Waid für Ausstellung im Stadtmuseum zur Verfügung

HERZOGENAURACH - Dieser Tage ist eine höchst ungewöhnliche Fracht im Stadtmuseum eingetroffen: Waidballen aus Hochstedt bei Erfurt. Mit dieser Sendung konnte eine uralte Handelsbeziehung zwischen Franken und Thüringen wiederbelebt werden, die schon seit langer Zeit in Vergessenheit geraten war.

Im Zuge der Vorbereitungen zur aktuellen Ausstellung «Um Gottes Lohn - 500 Jahre Pfründnerspital»vom 19. April bis 29. Juli (wir berichteten) hatten sich die Ausstellungsmacher bemüht, auch den spärlichen Hinweisen zur Person und zu den Lebensumständen des Spitalstifters nachzugehen.

Die ältesten Stiftungsurkunden beginnen stets mit dem Satz «Ich, Conrad Reyter, Weydgast und zu Nürnberg. . .» Doch was genau ist eigentlich ein Waidgast? Alten Urkunden zufolge hatte der in Niederndorf geborene Spitalstifter zunächst in Herzogenaurach das ehrbare Färberhandwerk erlernt, zu seinem beträchtlichen Vermögen kam er jedoch erst in späteren Jahren durch ausgedehnte Handelstätigkeiten.

Im Jahr 1475 war Reyter zusammen mit seiner Frau Anna in die nahegelegene Großstadt Nürnberg übergesiedelt, die bereits im Mittelalter ein Zentrum der Tuchfärberei und der Textilveredelung war und gleichzeitig ein zentraler Umschlagplatz für Handelswaren. Die Stadt bot ideale Voraussetzungen für den Aufstieg des jungen Handwerksmeisters zum wohlhabenden Händler. Als äußerst einträgliche Handelsware diente ihm dabei in erster Linie die Färberpflanze Waid, aus der der begehrte Farbstoff «Indigo» zum Blaufärben gewonnen wurde.

Hauptanbaugebiet für die Färberpflanze Waid war über Jahrhunderte hinweg die Region um Erfurt, von wo aus seit dem 13. Jahrhundert Fuhrwerke voll beladen mit Waidballen Richtung Franken rollten. In Nürnberg saßen die bedeutendsten Abnehmer für den Thüringer Waid und auch Cunz Reyther verdankte diesem Handel seinen beachtlichen Reichtum.

Glücksfall Erfurt

Um diesen beruflichen Hintergrund des Waidgastes Reyter nun in der Ausstellung anschaulich zu gestalten, machte sich das Stadtmuseum auf die Suche nach eben diesem uralten Handelsprodukt. Was nicht so ganz einfach war, denn in Deutschland ist der Anbau der alten Nutzpflanze bereits im 17. Jahrhundert durch den Import des Farbstoffs Indigo aus Indien und Südamerika zum Erliegen gekommen. Durch einen seltenen Glücksfall stieß man schließlich auf den Verein für die Geschichte und Traditionspflege in Erfurt-Hochstedt, der erst vor drei Jahren wieder damit begonnen hat, mit dem traditionellen Waidanbau zu experimentieren. Auf einem Schaubeet vor dem Hochstedter Heimatmuseum konnte inzwischen soviel Waid geerntet und verarbeitet werden, dass es reichte, um ein Paket mit Waidballen nach Herzogenaurach zu schicken.

Vereinsvorsitzender Jens Schüßler und Ortsbürgermeister Egon Angelroth haben es sich nicht nehmen lassen, die wertvolle Fracht persönlich auf den Weg an die Aurach zu schicken. Inzwischen sind die Waidballen heil angekommen und werden in der Sonderausstellung zu sehen sein. Rechtzeitig zum Hochstedter Waidfest müssen sie jedoch wieder die Rückreise antreten und so muss das Museum auf die angedachte Weiterverarbeitung des Halbfertigproduktes verzichten.

Ausstellungseröffnung ist am Samstag, 19. April, um 11 Uhr

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Letzte Aktualisierung: 17.04.2008