ThüringerAllgemeine (online) vom 26. April 2016

Einstürzende Schlösser: Wie das Erbe der Residenzzeit in Thüringen gerettet werden soll
Ein Gutachten des Landesdenkmalamtes sieht mehr als 20 frühere Adels- und Gutshäuser in Thüringen gefährdet. Die Behörde soll nun den Druck auf die Eigentümer erhöhen.
26. April 2016 / 09:42 Uhr

Jörg Möller, der Vorsitzende des Heimatvereins in Friedrichswerth (Landkreis Gotha), vor dem Barockschloss Foto: Michael Keller


Erfurt. „Bundesweit einmalig“ sei die Studie, die das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie erstellt hat. So schreibt es der auch für Kulturangelegenheiten zuständige Staatskanzleiminister Benjamin Hoff (Linke) in einer Vorlage für die heutige Kabinettssitzung, die unserer Zeitung vorliegt.
Das Gutachten listet 64 Burgen, Schlösser und Gutshäuser mit erhöhtem Sanierungsbedarf auf. Zehn davon seien „akut“, 13 „mittelfristig“ gefährdet.
Die historischen Immobilien befinden sich zum großen Teil in Privatbesitz. Die Denkmalschutzbehörden, schreibt Hoff, würden die Eigentümer jetzt verstärkt dazu anhalten, die „bei der Begutachtung festgestellten, notwendigen Erhaltungsmaßnahmen durchzusetzen“ – wobei jedoch der „Gesichtspunkt der Zumutbarkeit“ zu beachten sei. Nach einer Schulung der Mitarbeiter seien hier bereits erste Erfolge zu verzeichnen.
In einigen Fällen sind aber auch Kommunen oder das Land selbst zuständig – wie etwa beim Schloss Friedrichswerth, dessen Sicherung und „konsequente Baupflege“ jetzt forciert werde soll. „Eine sinnvolle, angemessene Nutzung“ müsse endlich angestrebt werden.
Noch immer keine Rettung für Schloss Reinhardsbrunn
Eine schnelle Rettung von Schloss Reinhardsbrunn bei Friedrichroda haben viele inzwischen aufgegeben. Bereits Anfang 2013 erklärte die frühere Regierungschefin, Christine Lieberknecht (CDU), das vom Zerfall bedrohte Kleinod zur Chefsache.

 

Das Schloss Reinhardsbrunn im Oktober 2014. Die Sonne überstrahlt den Zerfall. Foto: Marco Kneise


Trotzdem ist seither wenig geschehen. Akute Gefahrenstellen wurden notdürftig repariert, der Zerfall aber noch immer nicht aufgehalten. Gerade putzt die ARD das Gemäuer zur Filmkulisse heraus, aber auch das ist nichts für die Ewigkeit.
Vergangenen September erging über dessen Anwalt das Angebot des Besitzers aus London an die hiesige Landesregierung, das Schloss für einen Euro verkaufen zu wollen. Die Regierung sagte eine Prüfung zu, gab ein Gutachten in Auftrag und musste sich der Frage stellen, was aus der millionenschweren Grundschuld werden soll.
Ein Strafprozess, der ebenfalls vorigen September am Amtsgericht Erfurt gegen zwei Männer begann, platzte kurz darauf. Dem Hautangeklagten waren unter anderem Computerbetrug und Untreue, dem zweiten Angeklagten Beihilfe vorgeworfen worden. Ein Teil der Grundschuld des Schlosses – immerhin mehrere Millionen Euro – soll aus den anklagten Straftaten erwachsen sein. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist aber noch immer nicht geklärt.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) drohte Ende Januar mit der Enteignung des Schlosses, sollte keine Einigung mit dem derzeitigen Besitzer zustande kommen.
Reinhardsbrunn war im Mittelalter das Hauskloster der Thüringer Landgrafen. Hier wurde auch Ludwig IV. begraben, der Ehemann der heiligen Elisabeth von Thüringen.
Mehr Last als Lust: Die „Hohe Sonne“ bei Eisenach
Die „Hohe Sonne“ ist zwar nur der Name einer klitzekleinen Siedlung nahe Eisenach. Doch für Zehntausende ist sie zugleich ein Inbegriff für die Thüringer-Wald-Romantik.

 

Das ehemalige Schloss „Hohe Sonne“ bei Eisenach steht seit über 30 Jahren leer. Foto: Sascha Willms


Über die „Hohe Sonne“ verläuft nicht nur der Rennsteig. Auf ihr steht auch das namensgebende Jagdschloss. Natur trifft Kultur, was will man mehr. . .
Bis 1985 konnten Wanderer noch in das Schloss einkehren. Bei Bockwurst, Fassbrause und Bier stärkten sie sich für Abstecher in die Drachenschlucht. Seither gingen hier nur noch Diebe und Randalierer ein und aus. Sie stahlen nahezu alles, was beweglich war, selbst Türen und Treppengeländer.
Seit der Wende hatte das im 18. Jahrhundert erbaute Schloss Besitzer aus Hessen, aus der Schweiz, aus Holland. Zwischenzeitlich machten hochtrabende Pläne die Runde. Das Schloss sollte abgerissen werden. Ein neues Tagungshotel aus Glas und Stahl war geplant.
Daraus wird wohl auch künftig nichts. Die „Hohe Sonne“ sei ein Objekt von landesweiter Bedeutung, urteilt das Landesamt für Denkmalpflege. Es drängt auf die unbedingte Erhaltung des Schlosses. Zur Not müsse §?11 des Denkmalschutzgesetzes angewendet werden. Er ermächtigt Behörden, auch ohne Zustimmung der Besitzer ein Bauwerk zu sichern. Bereits vor elf Jahren hatte für die „Hohe Sonne“ zwischenzeitlich eine solche Verfügung bestanden.
Die Eisenacher Stadtverwaltung hat immer wieder den Kontakt zum Eigentümer gesucht. Doch eine zwischenzeitliche Veräußerung führte zum Totalabbruch der Kommunikation, bestätigte gestern eine Stadtsprecherin. „Auch Verfügungen der Denkmalschutzbehörde konnten nicht zugestellt werden.“
Der Zustand Thüringer Denkmale
Akut gefährdet Objekte mit einem dringenden Handlungsbedarf:
• Eisenach, ehemaliges Lustschloss Hohe Sonne
• Friedrichroda (Kreis Gotha), Schloss und Park Reinhardsbrunn
• Hummelshain (Saale-Holzland-Kreis), Neues Schloss Hummelshain
• Altenburg, Schloss Poschwitz
• Langenleuba-Niederhain (Altenburger Land), Halbes Schloss
• Erfurt, Gutshaus des ehemaligen Stiftsgutes Alach
• Erfurt, Gutshaus des ehemaligen Stiftsgutes Hochstedt
• Günzerode (Kreis Nordhausen), Herrenhaus
• Wemrode (Kreis Nordhausen), Pagenhaus und Park
• Eisenberg (Saale-Holzland-Kreis), Schloss Friedrichstanneck
Mittelfristig gefährdete Objekte mit einem absehbaren Handlungsbedarf:
• Gräfentonna (Kreis Gotha), ehemaliges Landgräfliches Schloss
• Jena, Komturhof der ehemaligen Landkommende Zwätzen
• Ebersdorf (Saale-Orla-Kreis), Residenzschloss
• Wachstedt (Eichsfeld), Burg Gleichenstein
• Gorsleben (Kyffhäuserkreis), Roter Hof
• Großfurra (Kyffhäuserkreis), ehemaliges Hofrittergut
• Werna (Landkreis Nordhausen), Spiegel‘sches Haus
• Reschwitz (Kreis Saalfeld-Rudolstadt)
• Sonneborn (Kreis Gotha), Gelbes Schloss
• Silbitz (Saale-Holzland-Kreis), Herrenhaus
• Knau (Saale-Orla-Kreis), Rittergut
• Triptis (Saale-Orla-Kreis), Schlossturm
• Wernburg (Saale-Orla-Kreis), Schloss
(Quelle: Thüringer Landesamt für Denkmalpflege)

Letzte Bearbeitung: 22.01.2018