Den Waid wiederentdeckt
Schüler vom Gothaer Gymnasium Ernestinum schrieben Seminarfacharbeit
über heimische Färberpflanze
Die "Waidforscher" Johann Julius Schramm, Thea Rieck und Felicitas
Thiele. Foto: Dieter Schnabel
Gotha. "Heute mach ich blau!" Dieses Vorhaben mag manchem Zeitgenossen
noch in Erinnerung sein, wenn er nach einer durchzechten Nacht die Schule
oder die Arbeit geschwänzt hatte. Den wahren Ursprung dieses Satzes
aber gingen drei Schüler des Gymnasium Ernestinum mit ihrer Seminarfacharbeit
nach. Das Thema lautete: "Färberwaid Das Goldene Vlies
Thüringens gerät in Vergessenheit".
Die Zwölftklässler Thea Rieck, Johann Julius Schramm und Felicitas
Thiele verteidigten ihre Arbeit erfolgreich mit 15 Punkten. Ihr Fachbetreuer
Dieter Schnabel, alias Waidknecht Ditus, schätzte sie mit der gleichen
Bestnote ein. Der Seminarfachlehrer war Rüdiger Benser.
"Es gibt Entdeckungen, die belegen, dass der Färberwaid bereits
vor dem 13. bis 16. Jahrhundert von Menschen genutzt und angebaut wurde"
lautete das Thesenpapier zur Verteidigung ihrer Seminarfacharbeit. Der
Waid wurde schon im 9. Jahrhundert als Färberpflanze verwendet. Im
12. Jahrhundert kultiviert, war es die einzige Möglichkeit, ein blaues
Färbemittel daraus herzustellen.
Bevor der Indigo aus Indien nach dem Dreißigjährigen Krieg
und das synthetisch hergestellte Indigo ab Ende des 19. Jahrhunderts auf
den Markt kamen, war das Färben mit Waid ein arbeitsintensives und
kostspieliges Verfahren.
Umfangreiche Recherchen in der Region
Möglicherweise ein Grund, warum sich unzählige Varianten des
Wortes blau in der Kulturgeschichte herausgebildet haben: Königsblau,
Marineblau, Berliner Blau, blau machen, Fahrt ins Blaue, Blauer Engel,
Blaues Band, Blauer Montag, Blaues Blut, Blauer Reiter, Blaue Stunde,
Blaues Wunder, Blauhelme.
Die erste überlieferte Notiz von 1378 aus dem heutigen wüsten
Dorf Alschleben, am Nordhang des Kranberges zwischen Gotha und Goldbach,
belegt den Färberwaid-Anbau in der Umgebung von Gotha.
Bis 1912, als die Waidmühle in Pferdingsleben ihren Betrieb einstellte,
wurde Färberwaid über 300 Jahre lang angebaut und verarbeitet.
In Spitzenzeiten war im Thüringer Becken manchmal sechs Prozent der
Ortsfluren dem Waidanbau vorbehalten und brachte vor allem der Landbevölkerung
Arbeit, Lohn und einen bescheidenen Reichtum. Zu Beginn besuchten die
Gymnasiasten die ständige Ausstellung im Waidhaus von 1576 in der
Gothaer Gretengasse 2. Danach recherchierten sie in der Universitäts-
und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha und besuchten zahlreiche Feste und
Veranstaltungen zum Thema Färberwaid im Umkreis von Gotha, in Erfurt,
Rohrborn, Hochstedt, Ballstädt, Arnstadt und Pferdingsleben.
Im praktischen Teil färbten sie mit Schülern der Klasse 3 der
Evangelischen Grundschule Gotha oder erstellten ein Info-Blatt für
die Tourist-Information Gotha. Touristen und Einheimische griffen bisher
über 300 Mal zu, denn solche Informationen gab es dort bisher noch
nicht.
"Man kann nach der vorliegenden Seminarfacharbeit von einer Wiederentdeckung
des Waids als Kulturpflanze des Mittelalters sprechen. Es kann nicht hoch
genug eingeschätzt werden, dass sich junge Menschen mit diesem Thema
der Lokalgeschichte beschäftigt haben und damit dem Vergessen von
300 Jahren Thüringer Geschichte entgegenwirken", erklärt
Dieter Schnabel.
Wolfgang Möller / 23.02.17
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