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Blaudruckerei Weiß - Besuch in der Werkstatt am 16.11.2006

 

Ein (leider) aussterbendes Handwerk stand im November 2006 im Blickpunkt unseres Ausfluges. Die Blaudruckerei Weiß öffnete für uns ihre Tür und ließ uns beim Blaudrucken über die Schulter der Meisterin schauen. Tatsächlich ist es so, dass hier in Erfurt-Hochheim die letzte Blaudrucker-Meisterin Deutschlands ihr Handwerk ausübt.

Manchem sind die scheinbar weiß bedruckten Tischdecken, Vorhänge oder Servietten vielleicht schon aufgefallen, die auch in der Erfurt-Information am Benedikt-Platz zum Verkauf angeboten werden. Mancher meint vielleicht, dass es sich dabei um billigen Kitsch handelt. Wie viel Arbeit, Liebe zum Beruf und nicht zuletzt künstlerischer Ausdruck jedoch vonnöten ist, um die blauen Tücher mit ihrem weißen Muster herzustellen, sieht man erst hier in der letzten Blaudruckerei Thüringens.

Das Ehepaar Weiß, besser gesagt Herr Weiß, hielt zunächst einen kleinen Vortrag über die Geschichte des Blaudruckes. Da wir im Verein durch unseren Waidanbau bereits wussten, dass früher mit Waid-Indigo gefärbt wurde, konnten wir Herrn Weiß einiges über den erneuten Anbau der Pflanze in Hochstedt berichten.

Durch den Waid-Anbau im Thüringer Becken kann man davon ausgehen, dass es hier, quasi an der Quelle des Rohstoffes, zahlreiche Blaufärber gegeben hat. Das Ehepaar Weiß fährt, obwohl beide schon weit in den Sechzigern sind, unermüdlich mit der Ausübung ihres Handwerkes fort. Beide hängen, wie man unschwer erkennen konnte, mit Herz und Seele, an dem was sie tun.
 
Besuch findet sich oft in der Werkstatt ein. Bereitwillig bringen dann die Eheleute den Gästen ihr Handwerk näher und freuen sich über jede Frage, die Interesse an ihrer Arbeit zeigt.
So erfuhren wir, dass neben dem Farbstoff und dem textilen Gewebe eine Art Stempel notwendig ist, um die gemusterten Tücher herzustellen. Dieses Werkzeug nennt der Blaudrucker Druckstock oder auch Model. Die Modeln sind der Schatz des Blaudruckers. Nur mit ihnen kann er sein Handwerk überhaupt ausüben. Modeln werden in der Werkstatt des Formenstechers hergestellt. Dieser Beruf ist inzwischen ebenso selten, wie der des Blaudruckers. In Thüringen gibt es bei Mühlhausen einen Formenstecher, der die Modeln für die Blaudruckerei Weiß herstellt.
 
Ein solches Werkzeug besteht aus dreifachem, kreuzweise übereinander verleimtem Birnbaum-Holz, welches sich durch seine Eigenschaft, sich nur gering zu verziehen, dafür besonders gut eignet.
Zunächst muss eine Zeichnung, ein Entwurf im Maßstab 1:1 angefertigt werden. Mit feinen Bleistiftstrichen zieht Frau Weiß Linien, malt schwungvolle Blüten und stilisierte Blätter. Die Zeichnung schickt sie dann dem Formenstecher, welcher ein dickes, mit Öl getränktes Pergament darüber legt. Mit einem Stichel (ein nadelähnliches Werkzeug mit Griff) zieht er die Linien der Blaudruckerin nach und ritzt das Ölpapier ein. Anschließend wird Druckerschwärze auf das Blatt gebracht, die sich im eingeritzten Muster festsetzt. Das Blatt wird umgedreht und die Farbe auf das Holz gerieben - ein spiegelbildlicher Abdruck entsteht. Es gibt Model, die nur aus Holz bestehen, dabei wird das Holz, welches sich neben dem eigentlichen Muster befindet herausgeschnitzt. Es entsteht ein Holzstempel. Die meisten Modeln der Blaudruckerei Weiß bestehen jedoch aus Holz in welches Messing als erhabenes Muster eingetrieben wurde. Der Formenstecher nimmt dazu Messingstreifen oder Messingdraht in verschiedenen Stärken, bringt es in die jeweilige Form und schlägt es dann in das vorher aufgezeichnete Muster. Großflächige Ornamente werden mit Filz ausgefüllt, der im Anschluss mit Schelllack versiegelt wird.
 
Mit diesem Stempel wird nun das Muster auf das Gewebe (meistens Baumwolle, aber auch Leinen und Seide) gebracht. Nicht, wie man vermuten könnte, wird weiß gedruckt sondern im sogenannten Reservedruck-Verfahren. Dabei wird der Model in eine breiige Masse getippt, die Frau Weiß mit einem Pinsel in einem Kasten, dem Chassis, gleichmäßig verteilt hat.
Die genaue Zusammensetzung des hellgrau-grünlichen Papp ist ein gut gehütetes Geheimnis. Jeder Blaudrucker hat seine eigene Rezeptur, die sich aus Tonerde, Gummi-Arabicum (Baumharz der Verek-Akazie - Acacia senegal - ein in Afrika heimischer Baum), Ruß und verschiedenen Chemikalien zusammen setzt.
 
Der Model wird nun abwechselnd Stück für Stück auf das zu färbende Tuch gesetzt, kurz angeklopft und wieder in die graue Masse getippt. An den Stellen, die mit dem Papp bedruckt sind kann die blaue Indigo-Farbe die Faser des Grundstoffes nicht färben. Der Papp wirkt also schützend und "reserviert" die entsprechende Fläche.
 
 
Es werden grundsätzlich 15m lange Stoffbahnen mit den Modeln bedruckt, die nach dem Färben auseinander geschnitten werden. Die Stoffbahnen trocknen etwa drei Wochen und kommen dann zum Färben.
 
 
 
 

 

 

Das 15m lange Tuch wird auf einen eisernen Ring gespannt, dem sogenannten Kronreifen. Der Reifen hat einen Durchmesser von ungefähr einem Meter, hängt über den Färbebehältern und hat an seiner Unterseite zahlreiche Haken zum Anhängen der Stoffbahn.

 

Ist der Stoff befestigt, setzt sich der Reifen in Bewegung und wird in das Färbebad hinunter gelassen. Die Küpe, wie der Färber den über zwei Meter tief in den Boden eingelassenen Färbebehälter nennt, ist angereichert mit Indigo, welches grünlich darin schimmert. Es wird kalt gefärbt. Da sich Indigo nicht in Wasser löst, kommen auch hier wieder Chemikalien zum Einsatz. Sollten die Indigo-Pigmente in der Küpe durch viele Färbeprozesse weniger werden, wird wieder Indigo zugeführt. Die Küpe in der "Weiß-Werkstatt" gibt es also schon mehrere Jahrzehnte.

 

Acht Minuten dauert der erste Färbegang und das Gewebe wird aus der Küpe gezogen. Dort hängt dann ein grünes Stück Stoff. Erst mit dem Sauerstoff in der Luft beginnt das Indigo sich von Grün in Blau zu verfärben. Im Wechsel von je acht Minuten wird der Stoff nun mehrmals in die Küpe gelassen und dem Sauerstoff ausgesetzt.

Je öfter man dies tut, umso intensiver wird das Blau, des fertigen Druckes. Im Anschluss an den Färbevorgang wird der aufgedruckte Papp mit verdünnter Schwefelsäure aus dem Gewebe gewaschen. Nach mehreren Spülgängen wird die Stoffbahn getrocknet und anschließend geglättet.

 

Nach dem Ausschneiden der verschiedenen Formen wird jedes Stück konfektioniert. So entstehen nicht nur Deckchen und Tischwäsche in rechteckiger, quadratischer oder runder Form, sondern auch Kleider und Schürzen für Puppen und Teddys, die als Reisemitbringsel aus Erfurt angeboten werden.

Blaue Stoffe mit der historischen Ansicht des Domhügels und des Domplatzes gehören zu den gefragtesten Andenken, die als Blaudrucke in Erfurt verkauft werden.

 

Auch im Ausland ist das Kunsthandwerk der Blaudruckerei begehrt. So liefert die kleine Werkstatt nach Österreich, in die Schweiz und sogar nach Japan. Zu den Kunden hier zählt auch die Thüringische Landesregierung, die Blaudrucke als Präsente an Gäste verschenkt.

 

 

Blaudrucke der Blaufärberei Weiß gibt es sogar in verschiedenen europäische Königshäusern, wie uns Frau Weiß versicherte. Ein überaus interessanter Abend ging für uns zu Ende.
 
 
 
 
 
Nätürlich sahen wir uns noch in Ruhe um und kauften das eine oder andere textile Stück, welches wir nun mit ganz anderen Augen sahen.
 
 
 
 
 
 
 
Schade, dass es keine Nachfolger in der Blaudruckerei gibt. Dieses alte, traditionelle Handwerk wird es in absehbarer Zeit in Erfurt nicht mehr geben. Mit glänzenden Augen erklärt Frau Weiß, dass die Modeln, ihr ganzer Schatz, in ein Museum gegeben werden sollen, um so wenigstens als Andenken erhalten zu bleiben.
An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an das Ehepaar Weiß für diesen gelungenen und auch kurzweiligen Einblick in den Beruf des Blaufärbers.