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Die Herbstfahrt führte uns am 10. Oktober 2015 nach Wittenberg und in den Wörlitzer Park.

Die Abfahrtszeit von Hochstedt war für 7.00 Uhr angesetzt. Dreißig Mitreisende hatten sich deshalb zu dieser Zeit an der Hochstedter Bushaltestelle eingefunden. Der Tag versprach zwar kühles aber - was wichtiger war - sonniges Herbstwetter. Die Sonne zeigte sich bereits als wir auf der A4 unterwegs waren und ganz im Gegensatz zur Wettervorhersage war von Nebel weit und breit nichts zu sehen. Wir kamen zügig voran und erreichten das Rasthaus Köckern gegen 8:45 Uhr. Nach einer Pause ging es weiter in Richtung Wittenberg, das wir um 10:00 Uhr erreicht haben mussten, denn zu dieser Zeit sollte unsere Stadtführung beginnen.

Die Führung war so gebucht, dass diese in zwei Gruppen mit je 15 Leuten stattfand. Wir kamen kurz vor 10.00 Uhr in Wittenberg an, wo uns blauer Himmel jedoch aber auch recht kühle Luft erwartete. An der Stadtinformation, unserem Treffpunkt, trafen auch kurz nach uns die Stadtführerinnen in ihren historischen Kostümen ein. Schnell waren die Gruppen geteilt und die Führung konnte Beginnen. Da wir nun schon mal an der Schlosskirche standen, ging es auch gleich los, mit Luther und dessen Thesenanschlag. Luther hatte eigentlich einen Disput mit seinen 95 Thesen anregen wollen und hat statt dessen aus Versehen die Welt verändert. Unsere Führerin, die Frau des bekannten Räubers Hans Kohlhaas, erzählte mit viel Witz und Schwung aus der Geschichte ihres 500 jährigen Lebens. Sie meinte, dass, wer einmal hier nach Wittenberg gekommen war, hier bleiben würde. Aus den meisten wäre auch was geworden, wie die unzähligen Gedenktafeln an den Häusern beweisen würden. Ab diesem Zeitpunkt nannte sie uns „zukünftige Mitbürger“.

Thesentür an der Schlosskirche Schlosskirche

Leider war die Schlosskirche, die den Beginn der Reformation bedeutete, nicht zu besichtigen, da gerade Bauarbeiten im Gange waren. Die Stadtführerin erzählte uns jedoch, was wir nicht sehen konnten, wie etwa die Gräber von Luther und Melanchthon. Die Thesentür war wegen des Brandes der Kirche eh nicht die echte und die unzähligen, Reliquien, die der Kirche früher Pilgerscharen bescherten waren auch nicht mehr da. Darunter gab es einige sehr spezielle Reliquien, wie etwa einen Dorn aus dem Dornenkranz den Jesus, die er bei der Kreuzigung getragen hat und nicht zuletzt die getrocknete Muttermilch der Maria. Die Stadtführerin meinte, das wäre dann die erste Trockenmilch der Welt gewesen. Wir gingen ein Stück in Richtung Marktplatz weiter und gelangten so an ein ehemaliges Universitätsgebäude mit vielen Gedenktafeln an der Fassade, die daran erinnerten, dass es viele Berühmtheiten gab, die hier unterrichtet worden waren, aus denen sozusagen "auch was geworden war".

Im Schatten der Häuser war es recht frisch und wir suchten uns zum Zuhören immer möglichst ein sonniges Plätzchen. Durch das Renaissance-Portal kamen wir in den Durchgang zu den Kranachhöfen, wo ein e Fotografie angebracht war. Anhand dieses Bildes konnten wir sehen, wie heruntergekommen die Höfe gegen Ende der DDR waren. Seit der Wende war viel getan worden und der Höf des berühmten Malers - "aus dem ja auch was geworden war" - , Lucas Cranach d. ä., war nun zum neuen Schmuckstück geworden. Im Hof selbst steht eine Skulptur die den Maler zeigt. Er soll mit der dort gegründeten Malschule unzählige Talente nach Wittenberg gezogen haben, aus denen vielfach "auch was geworden war". Einer der Söhne Cranachs, Lucas Cranach d. j., trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde ebenfalls ein berühmter Maler. Heute, nach fünfhundert Jahren gibt es zum ersten Msl eine Ausstellung  seiner Werke in Wittenberg. Die Stadtführerin erzählte uns, dass Cranach nebenbei eine Apotheke betrieb. Diese lief gut, weil sie die einzige der Stadt war. Es gab allerlei Kräutermischungen und Elixiere, die rein gar nichts bewirkten, wie etwa die getrocknete Hirnhaut einer Leiche, die pulverisiert und eingenommen zu mehr Intelligenz verhelfen sollte. Die Stadtführerin meinte, dann könne man genauso gut Haare essen, um eine Glatze verschwinden zu lassen.

Cranach-Höfe

 


Weiter ging es an einem gemauerten Bachlauf entlang, der die Straße begleitete. Wir kamen zum Marktplatz mit dem langgestreckten Bau des Rathauses und den zentral errichteten Denkmälern von Melanchton und Luther. Frühe  stand hier das Schafott, erzählte die Stadtführerin und sie kramte in ihrer Erinnerung eine Geschichte heraus, wie ihr Mann und sie vom Fenster eines am Markt stehenden Hauses aus, eine Hinrichtung beobachten konnten, wie schön und entzückend anzusehen diese war. Am Markt steht auch die Stadtkirche von Wittenberg, in der Luther vorrangig gepredigt hatte, in der auch der erste evangelische Gottesdienst stattfand. Die Stadtführerin erzählte von den Türmern der Stadt die oben in luftiger Höhe ihre Wohnung gehabt hatten, dort sogar eine Ziege hielten, um sich mit Milch zu versorgen. Sie meinte, dass die Kinder des Türmers dort oben aufgewachsen sind und als sie zum ersten Mal auf der Erde standen erstaunt gewesen waren, wie groß Pferde eigentlich sind. Da sie alle viertel Stunden die Glocke zu läuten hatten, fragte man sich außerdem wie die Türmer zu ihren Kindern gekommen seien.

Melanchthon Luther
Am Markt

Wir lachten und gingen weiter durch ein enges Gässchen bis zur Rückseite der Kirche. Dort, an der südöstlichen Außenwand war ein Relief angebracht, welches die Juden verspotten sollte, die sogenannte Judensau. Ein Stück weiter befindet sich der Holzmarkt mit einem Brunnen. Dabei handelte es sich um einen Röhrbrunnen, der zu einer frühen Wasserleitung gehörte, die im 16. Jh. hier für frisches Wasser sorgen sollte. Die Stadtführerin meinte, dass seitdem das Wasser zum Bierbrauen nicht mehr aus dem Bach entnommen wurde, das Gebräu seine Würze verloren hätte. Kein Wunder, wurde doch vor der Wasserentnahme durch Ausrufer darauf hingewiesen, dass am nächsten Tag gebraut würde und dass sämtliches Einbringen von Unrat, Wäschewaschen, Fäkalienzufuhr und ähnliche Sachen zu unterlassen seien. Wer allerdings diesen Ausrufer verpasst hatte ....

Röhrbrunnen

Die Wittenberger seien jedenfalls zum Brauen mit Bachwasser zurückgekehrt, weil das Bier so würziger schmecken würde. Wir sollten uns in den Gasthäusern nicht wundern, meinte sie im Spaß, wenn etwas Trübes im Glas schwimmen würde - einfach umrühren.

Lutherhaus Katharinenportal

Wir lachten und folgten ihr zur Universität von Wittenberg. Im Hof suchten wir uns wieder einen Platz in der Sonne, da es noch immer empfindlich kalt war. Ringsum an den Wänden der Universitätsgebäude waren wieder unzählige Gedenktafeln angebracht, die die Namen derjenigen trugen aus denen hier "auch was geworden war". Nicht  weit entfernt befindet sich das Lutherhaus. Hier, im ehemaligen Augustinerkloster, hatte Luther mit seiner Frau Katharina von Bora gelebt und die Kinder aufgezogen. Ein Denkmal der ehemaligen Nonne stand unmittelbar vor dem nach ihr benannten Zugang zum Haus, dem Katharinenportal. Hier endete unsere Stadtführung und wir verabschiedeten unsere Stadtführerin mit Applaus. Jetzt hatten wir noch etwa anderthalb Stunden Zeit, um uns in Wittenberg umzusehen.

Wittenberg

Die meisten Mitgereisten suchten eine Gaststätte auf, um sich etwas aufzuwärmen und zu essen. Mancher stockte seine Kleidung die er trug auf und gönnte sich ein weiteres wärmendes Kleidungsstück. Einige sahen sich aber auch in touristischer Weise um und besuchten Ausstellungen oder Gebäude der Reformation. Um 13.00 Uhr trafen wir an der Schlosskirche wieder ein, wo unser Bus uns erwartete. Pünktlich ging es weiter zu unserem nächsten Programmpunkt in das Wörlitzer Gartenreich.

Den Parkplatz am Park erreichten wir eine Dreiviertelstunde nach unserer Abfahrt in Wittenberg. Leider mussten wir eine Umleitung fahren und waren daher recht knapp vor Ort. Treffpunkt für unser Programm hier war die Gondelstation. Wir wollten zuerst vom Wasser aus die Gartenlandschaft erkunden. Als Treffzeit war 14.00 Uhr festgelegt worden. Vom Parkplatz aus verfehlten wir jedoch den richtigen Weg und gelangten am falschen Seeufer Ufer auf die Höhe der Gondelstation. Zwischen uns und dem Treffpunkt lag der See, die Roseninsel, der See, die Landzunge einer Halbinsel und wieder der See. Es blieb uns nichts anderes übrig als dreimal mit der Fähre überzusetzen, zuerst zur Roseninsel, dann von hier zur Landzunge und nach deren Überquerung hinüber zum anderen Ufer des Sees. Das Abenteuer hatte begonnen und selbstverständlich waren wir zu spät.


Trotz des sonnigen Wetters waren jedoch nur wenige Gondeln auf dem Wasser und unsere beiden warteten noch auf uns. Schnell war der Preis für die Boote bezahlt und kurz hintereinander ruderten unsere Gondolieri auf den See hinaus. Erstaunlicherweise war es hier nicht mal so kalt wie gedacht, immerhin waren wir unter herbstlicher Sonne unterwegs. Unser Ruderer hatte gut zu tun, das mit fünfzehn Gästen gefüllte Boot über den See zu schippern. Aber wie er später sagte, war das Wetter für ihn jetzt perfekt, während im Hochsommer heiße Temperaturen herrschten und der Schweiß in Strömen lief - bei ihm und auch bei seinen Gästen.

Nachdem wir den See überquert hatten und etwa dort angekommen waren von wo uns die erste unserer Fähren auf die Roseninsel übergesetzt hatte, begann der Ruderer uns etwas über die Geschichte der Gartenlandschaft zu erzählen. Diese war in der zweiten Hälfte des 18. Jh. als frühester Landschaftsgarten in Mitteleuropa unter Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) entstanden. Ideen dafür hatte sich der Fürst auf seinen Reisen nach England, Itailen, Holland, Frankreich und in die Schweiz geholt. Mit seinem Freund Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und anderen studierte er unter Winckelmann die antike Baukunst. Für die Gärten waren Johann Leopold Ludwig Schoch, dessen Sohn Johann George, Johann Christian Neumark, Johann Friedrich Eyserbeck und Augusz Leopold Wöpke zuständig. Die Gestaltung der Anlagen begann 1764. Der See auf dem wir unterwegs waren ist keineswegs künstlich angelegt worden. Er ist eigentlich einer der Seitenarme der Elbe, die wir bei unserer Fahrt nach Wörlitz überquert hatten. Geschützt von Deichanlagen überstand das Gartenreich die Elbflut von 2002 und auch die von 2013 nahezu unbeschadet, obwohl die Deiche durchweicht waren.
Schon von Beginn an konnten alle Teile der Anlagen und auch das Schloss besichtigt werden. Ausnahmen bildeten einzig das Graue Haus und die Roseninsel, die der Fürstin und späteren Herzogin Luise Prinzessin von Brandenburg-Schwedt als Rückzugsorte dienten. Von Beginn an hatte das Gartenreich  auch Bildungsauftrag, der sich über Architektur, Gartenkunst und auch Ackerbau erstreckte.

   

Wir fuhren an verschiedenen Sichtachsen vorüber, die der Park bot, wobei im Hintergrund immer ein anderes Gebäude zwischen den Bäumen auftauchte. Der Ruderer meinte, dass der Park mit verschiedenen Kanälen durchzogen ist, die jedoch zur Zeit nicht befahren werden konnten, da sie entschlammt würden. Dieser Umstand war überaus schade, denn über die Kanäle waren Brücken gebaut worden, wobei keine der anderen glich. Da gab es eine chinesische Brücke, eine venezianische oder auch eine Zugbrücke, die wir nun nicht sehen konnten. Nach einer fünfundvierzigminütigen Runde auf dem See vorbei an der englischen Fassade des Gothischen Hauses, anderen architektonischen Leckerbissen und herbstlicher Natur gingen wir an der Gondelstation wieder an Land.

Von dort war es nicht weit bis zur Schlosstreppe, wo die Führungen durch den Park beginnen sollten. Wir waren wieder etwas später dran und nach kurzer Suche waren die beiden Gästeführerinnen gefunden. Vor uns lag jetzt eine Stunde Spaziergang durch den Park. Inzwischen hatte der kalte Wind etwas zugenommen und die Führung begann im Schatten der Bäume am Schloss. Zwei der alten Linden stammten noch aus der Zeit des Fürsten Franz, was man am mächtigen Stamm der alten Bäume sehen konnte. Die Führung fand, wie in Wittenberg, in zwei Gruppen statt. Zunächst erfuhren wir etwas über das Schloss selbst, den Gründungsbau des deutschen Klassizismus. Nebenan steht das Küchengebäude, dass durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloss in Verbindung stand. Die Gästeführerin bezweifelte, wegen dem beträchtlichen Abstand der Gebäude, dass die Speisen heiß bis zur Tafel des Fürsten gelangten.

Sichtachse Graues Haus
Vesuv Gothisches Haus

Unsere nächste Station war der Bereich zwischen der St. Petri Kirche und dem Grauen Haus, dem Gebäude der Fürstin. Das Gebäude stand leer vor uns und wartete darauf restauriert und wieder genutzt zu werden. Auf der Wiese zwischen dem Geauen Haus, der Kirche und dem Küchengebäude erinnerte ein Sarkophag an den Kirchhof. Die Gebeine, die hier bei der Umgestaltung gefunden worden waren, wurden darunter bestattet. Von hier gingen wir hinunter zum See mit schönen Ausblicken in verschiedene Sichtachsen. Von ihnen gab es zahlreiche, die jedoch heute nur zum Teil vom Bewuchs freigehalten  werden, da der Pflegeaufwand ziemlich hoch ist.
Wir gelangten an die Synagoge, die nach römischem Vorbild errichtet worden war. Sie ist mit seinem unter dem Betraum befindlichen Ritualbad und der gesamten Raumanordnung einzigartig in Europa. Von hier aus hatten wir freie Sicht auf die Felseninsel „Stein“. Im Frühjahr 1766 hatte der Fürst Neapel besucht und einen harmlosen Ausbruch des Vesuvs miterlebt. Dieses Naturereignis sollte auch sein Volk kennenlernen. Er ließ schließlich den Golf von Neapel in Wörlitz nachbauen mit dem Vesuv als Bestandteil. Alle paar Jahre wird der Ausbruch mittels Pyrotechnik nachgestellt und man kann einen herrlichen Abend im Gartenreich erleben, meinte die Gästeführerin. Wir folgten von hier dem Ufer des Sees und machten noch einmal Halt an einer der Sichtachsen. Von hier war auch die Wolfsbrücke zu sehen, hinter der sich der Wolfskanal befand. Der Name stammte vom ehemaligen Besitzer der Flur, dem der Fürst das Land abgekauft hatte. Nach einer kurzen Strecke endete die Führung in der Nähe des Schlosses und wir verabschiedeten uns von der Gästeführerin.

Es blieb uns noch eine Dreiviertelstunde für den Besuch der Souvrnirgeschäfte und zum Besuch eines Kaffees. Etwas verspätet traten wir gegen 17:00 Uhr unsere Rückfahrt an. Überpünktlich waren wir jedoch um 19:30 Uhr in Hochstedt zurück.

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