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Im angrenzenden Raum waren Folterinstrumente zu sehen und Herr Bochow erzählte uns Geschichten über die Anwendung mancher dieser Instrumente, wie die über die eiserne Maske mit der langen Nase, die wohl nur Menschen aufgesetzt bekommen hatten, die ihre Nase in anderer Leute Sachen gesteckt hätten.

 

Von hier ging es hinaus auf den Hauptweg der Burg. Wir ließen uns auf den Bänken zwischen den Toren der ersten und zweiten Burgmauer nieder und genossen die Aussicht auf das Umland. Inzwischen hatte sich die Sonne vollends durch die Wolken gekämpft und beleuchtete das ganze Land ringsum. Da Stolpen auf einem Berg gebaut worden war, konnte man von hier weit ins Land sehen. Noch weiter soll dies vom Burgturm möglich sein, sogar bis nach Böhmen, meinte Herr Bochow.

Herr Bochow hatte zu Beginn der Führung gesagt, dass uns drei Dinge im Gedächtnis bleiben müssten, die er uns näherbringen wollte. Zuerst war das der Basalt, der den Schlot eines Vulkans markieren soll, auf welchem heute die Burg stand. Vor dem zweiten Burghof standen wir wieder an einer Basaltwand. Ein Stück Säule dieses Gesteins war sogar der Namensgeber für dieses geologische Material geworden: Basalt aus Stolpen. Es ist damit das Leitmineral dieser Gesteinsart weltweit. Darauf wären die Stolpener enorm stolz. Der Turm, der sich vor uns neben der Burgmauer aus dem Basalt erhob war der Coselturm, benannt nach der Reichsgräfin Cosel.

Der Coselturm Weg zum Burghof


Die zweite Sache, die uns im Gedächtnis bleiben sollte war die Geschichte um die Gräfin Cosel, die uns Herr Bochow auch sogleich erzählte.

Bild der Reichsgräfin von Cosel in der Ausstellung im Coselturm

Bei Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel, geb. von Brockdorff handelte es sich wohl um die bekannteste Mätresse Augusts des Starken, des Sächsischen Kurfürsten.
Sie wuchs als Tochter des Ritters Joachim von Brockdorff und seiner Frau Anna Margarethe auf Gut Depenau, heute in Schleswig Holstein gelegen, auf. Sie hatte eine umfangreiche Ausbildung erhalten und beherrschte mehrere Fremdsprachen. Gleichzeitig galt sie als ungestüm und eigensinnig. Sie wurde Hoffräulein am Hof des Herzogs von Holstein. Eine Schwangerschaft Constantias beendete den Aufenthalt dort. Sie lernte den um zwölf Jahre älteren Direktor der sächsischen Steuerbehörde, Adolph Magnus von Hoym kennen, der um ihre Hand anhielt. Bereits ein Jahr nach der Heirat strebte Hoym jedoch eine Trennung von seiner Ehefrau an, die er nun als „herrschsüchtig und hinterhältig“ betitelte. Er eichte die Scheidung ein und wieder ein Jahr später wurde die Ehe geschieden.

August der Starke wurde auf die attraktive Anna Constantia aufmerksam und holte sie an den Hof.

Ende 1705 gab August Anna Constantia ein schriftliches Eheversprechen, welches sie im Falle des Todes der Kurfürstin als seine „Frau zur Linken“ erklärte und eventuelle Kinder legitimierte. In einem weiteren Dokument wurde auch ihre Versorgung geregelt, so sollte sie 100.000 Taler jährlich als Pension und das Rittergut Pillnitz erhalten. Im Jahr 1706 wurde Anna Constantia auf Bitten Augusts vom Kaiser zur Reichsgräfin von Cosel ernannt. Sie befand sich nun im Mittelpunkt des sächsischen Hofes, galt als schön, ehrgeizig und intelligent, aber auch als aufbrausend, hochmütig und dünkelhaft. Sie machte sich einige Feinde, indem sie Intrigen und Verfehlungen der Minister aufdeckte. Anna Constantia und August hatten nach einem totgeborenen Sohn noch weitere drei gemeinsame Kinder.

Zum Ärger des Hofes mischte sich Anna Constantia zunehmend in die Politik ein. August war aus politischen Gründen zum Katholizismus übergetreten; die Protestantin Anna Constantia hingegen missbilligte dies und warnte August davor, sich auf die Machtspiele polnischer Fürstenhäuser einzulassen, nur um König von Polen werden zu können. Um den polnischen Adel für sich zu gewinnen legte er sich mit Maria Magdalena Gräfin Dönhof eine katholische Mätresse aus Polen zu. Anna Constantias Eifersucht und ihre Versuche, die neue Mätresse des Fürsten zu bekämpfen, veranlassten August schließlich dazu, sich von der Gräfin Cosel abzuwenden. Da jede Anstrengung bezüglich einer gütlichen Trennung von der Gräfin zurückgewiesen wurde, entschied sich der Kurfürst für drastische Mittel. Er verbannte sie vom Dresdner Hof nach Schloss Pillnitz. Sie war frei, durfte sich nur nicht dort aufhalten, wo er sich befand.

Ende 1715 reiste sie nach Berlin, um den von August zurückgeforderten Ehevertrag zu beschaffen. Da sie Pillnitz jedoch nicht verlassen durfte, wurde diese Reise als Flucht gewertet. Jenes schriftliche Eheversprechen, das August ihr seinerzeit ausstellen ließ, wurde ihr nun zum Verhängnis. Wäre ein solches Dokument bekannt geworden, hätte dies eine europaweite Blamage des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen zur Folge gehabt. August war zum Handeln gezwungen und bot dem preußischen König im Austausch gegen die Auslieferung der Gräfin nach Sachsen geflohene preußische Deserteure an.

Die Cosel kam 1716 zurück nach Dresden und wurde vom König unter Arrest gestellt und am 24. Dezember 1716 auf die Burg Stolpen überstellt, wo sie die restlichen 49 Jahre bis zu ihrem Tod lebte.

Nach dieser Geschichte, die wir sitzend auf Bänken im zweiten Burghof gehört hatten ging es weiter zu einem mit einem Gitter abgedeckten runden Loch im Boden. Dieses war die dritte Sache, die uns im Gedächtnis bleiben sollte: der siebzig Meter tiefe Brunnen. Er war unter wahnsinnigen Anstrengungen aus den harten Basaltsäulen im Untergrund herausgeschlagen worden, wobei man in der Brunnenröhre am Boden Feuer entfacht und das Gestein so erhitzt hatte. Anschließend wurde kaltes Wasser darüber gegossen, somit das Gestein abgeschreckt, wobei es platzte und herausgeschlagen werden konnte. Nachdem man fünfzig Meter Tiefe erreicht hatte, war man noch immer nicht auf Wasser gestoßen und es gab Überlegungen aufzugeben. Man "sprengte" sich jedoch weiter in die Tiefe, um sich die Wasserversorgung der Burg zu sichern. Nach weiteren zwanzig Metern stieß man tatsächlich auf Wasser. Allerdings hatte man jetzt Probleme, es zu fördern. Anstelle einer Kurbel hatte man ein Laufrad gebaut, in welchem zwei Männer liefen, um die Welle anzutreiben - alleine das Seil wog dreißig Zentner.

 


In den 1930er Jahren hatte sich eine Frau in die Tiefe gestürzt und es kostete einige Mühe ihren Leichnam zu bergen. Daraufhin hatte man ein erstes abschließendes Gitter am Brunnenrand angebracht. Herr Bochow schüttete Wasser aus einem kleinen Topf in den Brunnen und bat uns zu lauschen. Nach zehn Sekunden hörte man es in der Tiefe plätschern. So lange brauchte das Wasser bis hinunter und der Schall wieder herauf.

Hier verabschiedete sich Herr Bochow zunächst von uns, denn ab hier konnten wir die Burg auf eigene Faust erkunden.

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